Konrad II. und Europa

Organisatoren
Julia Exarchos; Florian Hartmann
Veranstaltungsort
Bischöfliche Akademie des Bistums Aachen; Leonhardstraße 18–20
Förderer
RWTH Aachen Exzellenzinitiative
PLZ
52064
Ort
Aachen
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
11.05.2023 - 13.05.2023
Von
Alexander Braun, Historisches Institut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

Zur Vorbereitung auf das im kommenden Jahr anstehende 1000-jährige Jubiläum der Krönung Konrads II., des ersten Saliers auf dem römisch-deutschen Thron, luden Julia Exarchos und Florian Hartmann zu einer Tagung nach Aachen ein, um mit den anwesenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über neue und alte Forschungsperspektiven zu diskutieren. Ziel der Veranstaltung war es, neben einer schärferen Konturierung des Kaisers und seiner Regentschaft, insbesondere die kulturellen, sozialen und politischen Entwicklungen der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts herauszuarbeiten und dabei explizit die europäische Dimension der Herrschaft Konrads II. in den Blick zu nehmen.

JULIA EXARCHOS (Aachen) leitete die Tagung mit einer Begrüßung ein, in der sie die besondere Bedeutung Konrads II. als ersten Herrscher der Salierdynastie betonte und seine Wahl im Jahre 1024 als geeignetes Untersuchungsfeld für Prozesse mittelalterlicher Machtübernahme charakterisierte. Anschließend zeichnete sie die Darstellung des Kaisers von den zeitgenössischen Quellen bis in die moderne Forschung nach und hob in diesem Zusammenhang die geringe Präsenz Konrads und seiner Herrschaft in den meisten Überblickswerken der Gegenwart hervor, die der späten Salierzeit größere Aufmerksamkeit als der frühen widmen. Ihr Anliegen und das der Tagung sei demzufolge, die Umbrüche und Verwerfungen des späten 11. Jahrhunderts aus den politischen, sozialen sowie ideellen Entwicklungen während der Regierungszeit Konrads II. zu erklären und damit auf den prägenden Charakter dieses Zeitraums hinzuweisen.

Die erste der insgesamt fünf Sektionen wurde von MATTHIAS BECHER (Bonn) moderiert und betrachtete einen Themenkomplex rund um den Herrscher und seine erfolgreiche Machtübernahme von 1024. Als erster Redner widmete sich JÜRGEN DENDORFER (Freiburg) der Frage nach dem Aufstieg der Salier. Er betonte dabei die, entgegen der Schilderung Wipos, keineswegs zwangsläufige Königswahl Konrads II. Gleichzeitig warnte er vor einer allzu plastischen Wahrnehmung mittelalterlicher Adelsdynastien als geschlossen handelnder Akteure, wofür auch Wipos umständliche Darstellung der Verwandtschaft zwischen Konrad dem Älteren und Konrad dem Jüngeren spreche. Nichtsdestotrotz seien die Salier aufgrund der Bedeutung der Herzöge von Kärnten, insbesondere Ottos von Worms, bis zur Wahl 1024 zweifelsfrei in den Kreis der führenden Familien des Reiches aufgestiegen, sodass in diesem Jahr ein exklusiver Verwandtschaftskreis im Südwesten des Reiches zur Wahl gestanden habe.

HARALD MÜLLER (Aachen) betrachtete in seinem Vortrag die Rolle des Aachener Thrones als Aufstiegshilfe und Legitimationsobjekt. Wipo charakterisiert ihn mit ausdrücklichem Bezug zu Karl dem Großen als „Erzstuhl des Reiches“ und erstes Ziel Konrads II. nach dessen Herrschaftsantritt. Anhand einer ausführlichen Schilderung der Forschungs- und Quellenlage konnte der Referent nachvollziehbar erklären, warum die Textstelle bei Wipo nur geringen Erkenntniswert für die umstrittene Datierung des Aachener Thrones und dessen Authentizität als Thron Karls des Großen besitzt. Während es in dieser Frage also über Plausibilitäten kein Hinauskommen zu geben scheint, liefert die Quelle nichtsdestotrotz einen Hinweis auf die Etablierung der symbolischen Bedeutung Aachens für das Königtum im frühen 11. Jahrhundert.

Anschließend ging LINDA DOHMEN (Bonn) anhand des Urkundenbestands auf die Frauen in der höfischen Umgebung Konrads II. ein und versuchte in diesem Zusammenhang weibliche Kommunikationsnetzwerke zu identifizieren. Dabei sah sie die von Wipo geschilderte überragende Bedeutung Giselas durch die außerordentlich häufige Präsenz der Kaiserin als Intervenientin bestätigt, welche auch unter Berücksichtigung der Formelhaftigkeit einzelner Erwähnungen Bestand habe. Hingegen konnte der Quellenbefund aufgrund der wenigen und zugleich schwer zu bestimmenden Nennungen anderer Frauen sowie Giselas seltenen Interventionen für Frauenklöster keine spezifisch weiblichen Kommunikationsstrukturen aufdecken.

Im letzten Vortrag der ersten Sektion nahm ANDREAS BÜTTNER (Heidelberg) die Kaiserkrönung Konrads II. in den Blick, indem er sie auf ihre lokale und europäische Dimension untersuchte. Zunächst wies er anhand des geringen Zeitabstands zwischen Königserhebung und erstem Italienzug auf die zentrale Bedeutung der Kaiserwürde für Konrads Herrschaftsagenda hin. Die historiographischen Quellen bringen der Kaiserkrönung nur geringe und der Anwesenheit zahlreicher bedeutender europäischer Persönlichkeiten bei diesem Ereignis gar keine Aufmerksamkeit entgegen. Dennoch vermutete der Referent in den hochrangigen Begegnungen der Ostertage 1027 eine Grundsteinlegung für spätere politische Entwicklungen. Gleichzeitig plädierte er für eine höhere Gewichtung der römischen Beteiligung an der Zeremonie, welche von späteren Quellen sowie der älteren Geschichtsforschung heruntergespielt worden sei und daher eine neuerliche systematische Untersuchung lohne.

KNUT GÖRICH (München) nahm in seinem Festvortrag im Aachener Dom den Aachenbesuch Konrads II. im Jahr 1024 im Anschluss an die Mainzer Krönung zum Anlass, um die Entwicklung des Aachener Marienstifts und der mit ihm verbundenen Karlsverehrung von der Gründung über die endgültige Etablierung als Krönungsort ab Heinrich III. bis in die Stauferzeit nachzuzeichnen. Görich nahm dabei die Perspektive des Marienstifts selbst ein, obwohl die Quellen bis ins 12. Jahrhundert nur die jeweilige Herrschersichtweise wiedergeben. Bei der Stiftung Karls des Großen 793–795, die den Vorrang Aachens begründete, wird Karl gleichzeitig ein umfangreicher Reliquienerwerb zugerechnet, wobei allerdings nur einige Reliquientücher sicher in diese Zeit datiert werden könnten. Otto I. wählte schließlich Aachen zum Krönungsort. Obwohl dabei Karl nicht erwähnt wird und politische Gründe für die Wahl angenommen werden, müsse eine mögliche Karlsverehrung mitgedacht werden, auch wenn sie nicht näher gefasst werden könne. Unter Otto III. intensivierte sich dann mit der Grabesöffnung die Karlstradition sowie die Förderung des Marienstifts. Nach Abnahme des Interesses an Aachen unter Heinrich II. berichtet Wipo im Zuge von Konrads Aachenaufenthalt erstmals über einen Thron mit einer länger geübten Tradition, welche durchaus lokal aus Aachen stammen und vermittelt worden sein könne. Ob es sich dabei um den nicht näher datierbaren erhaltenen Thron handelt, ist nicht feststellbar. Die Heiligsprechung Karls unter Friedrich I. Barbarossa, setze schließlich eine lokale Heiligenverehrung voraus. Eine Beteiligung an diesem Prozess durch den Aachener Propst Stefan, der vorher bereits an der Kanonisierung Heinrichs II. beteiligt war, sei durchaus möglich. An Friedrich II., der vermutlich den noch unfertigen Karlsschrein schloss, wurde laut Görich wahrscheinlich die Karlstradition vom Marienstift herangetragen.

Die von LIOBA GEIS (Köln) moderierte zweite Sektion der Tagung widmete sich einigen Bereichen der Herrschaftspraxis Konrads II., fiel allerdings aufgrund zweier krankheitsbedingter Ausfälle kürzer als vorgesehen aus. Den Anfang machte dennoch planmäßig STEFFEN PATZOLD (Tübingen) mit seinem Vortrag über das europäische Lehnswesen. Er konzentrierte sich dabei auf ein kaiserliches Edikt aus dem Jahre 1037, welches der Allgemeinheit besser unter seinen modernen Kunsttiteln Constitutio de feudis oder Edictum de beneficiis bekannt sei. Auf Basis einer kleinteiligen Lektüre gelang es dem Referenten, das dem Edikt zugrunde liegende komplexe Beziehungsgeflecht von sich überlagernden, bisweilen auch konkurrierenden Lehnsbindungen aufzudecken und damit die Gesetzmäßigkeit der in der klassischen Forschung verbreiteten Lehnspyramide infrage zu stellen. Der Wunsch nach einer differenzierten Wahrnehmung äußerte sich auch in der Kritik an generalisierenden deutschen Übersetzungen, zum Beispiel bei der Projektion eines vermeintlich feststehenden politischen Begriffs wie „Vasall“ auf unterschiedliche lateinische Vokabeln wie miles oder valvasor.

Fortgesetzt und zugleich abgeschlossen wurde die Sektion von WOLFGANG HUSCHNER (Leipzig), welcher die Herrschaft Konrads II. im Regnum Italiae charakterisierte und im Vergleich zu dessen ottonischen Vorgängern einordnete. Dabei machte er zunächst auf die Parallelen zum Herrschaftsübergang auf Heinrich II. aufmerksam, der von Uneinigkeiten zwischen den weltlichen und geistlichen Fürsten Italiens geprägt war und in der Wahl des Gegenkönigs Arduin von Ivrea resultierte. So sei auch Heinrichs Nachfolger Konrad II. von möglichen Thronrivalen bedroht worden, habe sie jedoch entschiedener als sein Vorgänger bekämpft und damit seinen Anspruch auf Italien untermauert, wobei Aribert von Mailand der wichtigste Unterstützer gewesen sei. Insgesamt unterstellte Huschner dem ersten Salierkönig ein größeres Bemühen um den Zusammenhalt von nord- und südalpinem Regnum als dem letzten Ottonenkönig und verwies auf die zu diesem Zweck geschlossenen Heiratsverbindungen. Konrads erfolgreiche Nachfolgeregelung erinnere durch die frühzeitige und für beide Reichsteile geltende Krönung seines Sohnes eher an die Politik Ottos I. und Ottos II.

In der dritten Sektion wurden einzelne Regionen Europas beleuchtet und auf ihre Verflechtungen mit dem Reich unter Konrad II. untersucht. JULIA BURKHARDT (München) eröffnete den Themenkomplex mit ihrem Beitrag über die Beziehungen der ungarischen, polnischen und böhmischen Herrscher zum Kaiser. Zunächst warnte sie vor einer Identifikation Ostmitteleuropas als einheitliche Region und sprach sich dagegen für die Wahrnehmung dieser Gebiete als gemeinsamen Kommunikationsraum aus. In Bezug auf die Bedeutung Konrads II. für die Ereignisse östlich des Reiches stellte sie zudem eine starke Unterrepräsentation des Herrschers sowie erhebliche Kontraste zwischen deutscher und beispielsweise ungarischer Forschung fest. Den zentralen Gegenstand ihres Vortrags bildeten jedoch die Sukzessionsprozesse in Polen und Ungarn, welche die Referentin aufgrund der nicht etablierten Primogenitur in den teilweise erst seit Kurzem christianisierten Reichen als äußert unübersichtlich charakterisierte. In diesem Rahmen hätte sich der Kaiser je nach Situation als Verbündeter oder Gegner und das Reich als regelmäßige Flucht- und Exildestination erwiesen. Trotzdem wendeten sich Burkhardt zufolge die verschiedenen Oppositions- und Interessensgruppen bevorzugt innerhalb ihrer ostmitteleuropäischen Netzwerke an Verbündete, sodass die großen Entitäten wie Kaiser und Könige als Ansprechpartner von geringerer Bedeutung gewesen seien als regionale Herrscher, zu denen auch das Herzogtum Bayern gezählt habe.

Anschließend untersuchte JULIA BECKER (Heidelberg) die Zustände in Süditalien während der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und versuchte die Frage nach einer politischen Neuorientierung unter Konrad II. zu beantworten. Dabei skizzierte sie die Fragmentierung der Region in einen byzantinisch geprägten Süden und einen langobardisch geprägten, in kleinere territoriale Einheiten zersplitterten, Norden. Dieser „Flickenteppich“ sei durch die Anwesenheit muslimischer Emire und die Ankunft der Normannen zum Schauplatz zahlreicher Auseinandersetzungen geworden, in deren Mittelpunkt Pandulf IV. von Capua gestanden habe. Damit einhergehend verortete Becker die wichtigste Intervention Konrads II. in Süditalien in dessen Zug nach Apulien 1038, wo auf einem Hoftag die Absetzung des Fürsten von Capua beschlossen wurde. Eine folgenreiche oder gar neue Politik bescheinigte sie dem Kaiser allerdings nicht. Erst die Etablierung der Normannen im 12. Jahrhundert habe einen stabilen Herrschaftsraum in der Region geschaffen.

Beendet wurde die Sektion durch den Vortrag von JOHANNES PAHLITZSCH (Mainz) über die Berührungspunkte zwischen Konrad II. und Byzanz. Hier konnte der bereits von den Ottonen vorangetriebene, aber ohne nachhaltigen Erfolg gebliebene, diplomatische Austausch als Kontinuitätslinie festgestellt werden. Gleichwohl zeigte sich die Beschränkung der bilateralen Beziehungen insbesondere von byzantinischer Seite auf die sich überschneidenden Interessen in Italien. Ergänzt wurde die Kommunikationssituation zwischen westlichem und östlichem Kaisertum Pahlitzsch zufolge durch eine Vielzahl inoffizieller Kontakte vornehmlich im Bereich der Pilgerfahrt und des Reliquienhandels, wobei auch in diesem Fall der Westen eher den Osten gesucht hätte als umgekehrt. Das Fazit widersprach der Annahme eines Antagonismus zweier universaler Kaisertümer und rückte stattdessen die lokalen Konfliktfelder auf der italienischen Halbinsel in den Mittelpunkt, welche durch eine relative Zufriedenheit beider Mächte mit dem status quo gekennzeichnet gewesen seien.

Die vierte Sektion wurde von JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal) moderiert und nahm einige der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen des Untersuchungszeitraumes in den Blick. Zunächst suchte BENJAMIN MÜSEGADES (Heidelberg) nach neuen Impulsen bei der Gründung von Herrschaftszentren in den Reichen Konrads II. und der englischen Könige Knut und Eduard. Im Falle des Saliers identifizierte er Speyer und Limburg als sakral legitimierte Orte, die sich neben der traditionellen Grablege in Worms etabliert hätten, sodass Neuanfang und Kontinuitätsbetonung gleichermaßen relevant gewesen seien. Ähnliches stellte er für das englische Königreich fest, wobei Knut der Große durch die Förderung von Winchester den Kontinuitäts- und Eduard der Bekenner durch die Neuerrichtung Westminsters den Innovationsaspekt hervorgehoben hätte. Über gegenseitige Einflüsse der Projekte aufeinander ließen sich angesichts der Quellenarmut jedoch keine Aussagen treffen. Abschließend konnte Müsegades die Etablierung neuer Herrschaftszentren durch die untersuchten Herrscher konstatieren, warnte aber gleichzeitig davor, die Förderung unterschiedlicher Kirchen im Kerngebiet der Herrscherfamilie zwangsläufig programmatisch zu interpretieren.

GERHARD LUBICH (Bochum) setzte die Tagung mit einem reflexiv angelegten Vortrag fort, der die Verwendung von historiographischen Quellen in der historischen Forschung problematisierte. In diesem Zusammenhang konstatierte er, dass die Produktion von Geschichtsschreibung häufigen Konjunkturschwankungen unterliege und „geschichtsschreibungslose Zeiten“ wie die Herrschaft Konrads II. ein wiederkehrendes Phänomen darstellen. Diese These bildete die Grundlage für seine Kritik an dem Narrativ des „sich unaufhaltsam anbahnenden Hochmittelalters“ und der damit vermeintlich einhergehenden Erwartung eines zunehmenden Bestandes schriftlicher und historiographischer Quellen, den er zumindest für das 11. Jahrhundert nicht bestätigen konnte.

Den letzten Beitrag der Sektion steuerte FLORIAN HARTMANN (Aachen) mit einer Analyse der aus dem frühen 11. Jahrhundert stammenden Wormser Briefsammlung bei. Die Wertungen und Deutungen dieser Briefe zeichneten sich durch ein grundlegend fehlendes Reformbewusstsein innerhalb der Wormser Domschule aus, wo ältere kirchenrechtliche Bestimmungen zu Simonie oder Zölibat vollständig von jüngeren Rechtsgewohnheiten überlagert worden seien. Das in der Briefsammlung vermittelte Bildungswissen orientierte sich Hartmann zufolge traditionell an den sieben freien Künsten, innerhalb derer die Rhetorik und Dialektik nach dem Vorbild antiker Autoritäten wie Cicero im Mittelpunkt standen. Auf diese Weise sollte sich ein gut ausgebildeter Klerikerstand entwickeln, welcher auch in der Politik erfolgreich agieren konnte. Im weiteren Verlauf des 11. Jahrhunderts hätten sich aus diesem Personenkreis jedoch auch diejenigen Geistlichen rekrutiert, welche ihre erlernten Argumentationsfähigkeiten in den Debatten des Investiturstreits für das Ideal der libertas ecclesiae und gegen die verweltlichte Hofkapelle einsetzten. So zeige die Wormser Briefsammlung, dass Dialektik und Rhetorik nicht erst durch den Investiturstreit evoziert worden seien, sondern vielmehr das intellektuelle Fundament der damit verbundenen Debatten gebildet hätten. Da das Reformbewusstsein die Schüler allerdings zuvor durchdringen musste, sei die theoretisch schon im frühen 11. Jahrhundert vorhandene Streitkompetenz der in Worms ausgebildeten Kleriker erst einige Jahrzehnte später im Rahmen des Investiturstreits in den Fokus der Öffentlichkeit getreten.

Ihren Abschluss fand die Tagung in der fünften Sektion, welche kirchenpolitische Prozesse der Herrschaftszeit Konrads II. beleuchtete. Den ersten Beitrag dazu lieferte CLAUDIA ZEY (Zürich), die das Verhältnis des Kaisers zu den im Laufe seiner Regentschaft amtierenden Päpsten Johannes XIX. und Benedikt IX. in den Blick nahm. Einleitend gewährte die Referentin einen Einblick in die Perspektive des zeitgenössischen Historikers Rodulfus Glaber, der den jeweils höchsten Repräsentanten geistlicher und weltlicher Gewalt mit Ablehnung gegenüberstand und ihnen fehlende Eignung attestierte. Anschließend folgte die Schilderung der wichtigsten Berührungspunkte zwischen Konrad II. und den beiden Päpsten, beginnend mit dem Konflikt um die Patriarchenwürde von Aquileia. Jene Auseinandersetzung wurde zunächst durch den Papst auf einer Synode entschieden, das dort gefällte Urteil jedoch auf Intervention des Kaisers bei einem zweiten Konzil unter seiner Leitung rückgängig gemacht. Weitere Aufmerksamkeit forderte der Rangstreit zwischen den Erzbistümern Mailand und Ravenna, welcher ebenfalls durch eine Synode entschieden wurde, an der die explizite Mitwirkung Konrads II. jedoch nicht belegt ist. Daher sah Zey insbesondere in dem Patriarchenstreit von Aquileia Anzeichen für eine starke Einflussnahme des Kaisers auf Papst Johannes XIX. Nach Konrads erstem Italienaufenthalt seien die direkten Kontakte allerdings zurückgegangen und hätten sich insbesondere auf den schwelenden Konflikt mit Aribert von Mailand sowie die Entscheidung für Benedikt IX. als Nachfolger des verstorbenen Johannes XIX. konzentriert. Zusammenfassend erscheine das Verhältnis Konrads II. zu den Päpsten daher realpolitisch ausgerichtet und keiner übergeordneten Agenda verpflichtet. Das Prestige des Papsttums sei hingegen noch weitgehend anerkannt und nicht durch reformorientierte Bestrebungen untergraben worden, während seine reale Macht durch die jeweilige politische Situation und die dem Papst darin zufallende Rolle weitgehend fremdbestimmt worden sei.

SARAH HAMILTON (Exeter) beendete mit ihrer Untersuchung bischöflicher liturgischer Sammlungen in England und dem Reich die Sektion und damit gleichzeitig auch die Tagung. Als eine der wichtigsten Kollektionen auch für den kulturellen und intellektuellen Austausch zwischen England und dem Reich identifizierte Hamilton den Pontificale Romano-Germanicum, dessen Entstehung sie nach neuestem Forschungsstand auf die Regierungszeit Heinrich II. datierte. Für eine Beteiligung seines Nachfolgers Konrad II. ließen sich hingegen keine Hinweise finden, er schien allenfalls den Fortbestand der bereits seit dem 10. Jahrhundert existierenden Netzwerke zwischen England und dem Reich, insbesondere der bischöflichen Verbindung zwischen Worcester und Köln, zu gewährleisten.

Florian Hartmann verabschiedete die Gäste mit einer pointierten Zusammenfassung der Ergebnisse nach drei dichten Tagen mit gehaltvollen Vorträgen. Er resümierte die Erkenntnis, dass sich auch hinsichtlich der dürftigen Quellenlage keine festen Vorstellungen über Konrad II. etablieren konnten. Dennoch zeichnete die Tagung in ihren einzelnen Beiträgen insgesamt das Bild eines eher reaktiven Herrschers, der keine übergeordnete Programmatik verfolgte, sofern eine solche überhaupt irgendeinem mittelalterlichen Regenten unterstellt werden kann. Als eigenständiges Forschungsobjekt kristallisierte sich die Rolle Kaiserin Giselas heraus, deren Bedeutung zwar insbesondere von Linda Dohmen hervorgehoben wurde, aber dennoch einer intensiveren Betrachtung bedarf. Lohnenswert erscheint auch die Untersuchung einiger Indizien, welche eine schwache Stellung Konrads im Verhältnis zu seinem Sohn und Nachfolger Heinrich III. nahelegen. Die wünschenswerte Transferleistung zwischen den einzelnen Vorträgen blieb leider weitgehend aus und weckt daher Hoffnungen im Hinblick auf die zum Krönungsjubiläum 2024 geplante Publikation. Das Tagungsziel der Hervorhebung von Konrads Herrschaft als eines für spätere Entwicklungen prägenden Zeitraumes konnte jedoch in vielerlei Hinsicht erfüllt werden.

Konferenzübersicht:

Julia Exarchos (Aachen): Begrüßung und Einführung

Sektion I – Konrad II.: Ein europäischer Herrscher
Moderation: Matthias Becher (Bonn)

Jürgen Dendorfer (Freiburg): Der Aufstieg der Salier

Harald Müller (Aachen): Aufstiegshilfe. Konrad II. und der Aachener Thron

Linda Dohmen (Bonn): De dispositione curiali et de regina. Zu Giselas Stellung und Rolle im Umfeld Konrads II.

Andreas Büttner (Heidelberg): Glanz und Zwist. Die Kaiserkrönung Konrads II. als lokales und europäisches Ereignis

Öffentlicher Abendvortrag im Aachener Dom:
Knut Görich (München): Das Aachener Marienstift als Erinnerungsort. Zur Sakralisierung Karls des Großen von ottonischer bis in die staufische Zeit

Sektion II – Die Herrschaftspraxis Konrads II. und ihre europäische Dimension
Moderation: Lioba Geis (Köln)

Steffen Patzold (Tübingen): Das Lehnswesen in einer europäischen Perspektive

Wolfgang Huschner (Leipzig): Anhänger, Gegner und Mediatoren der Herrschaft Konrads II. im Regnum Italiae

Sektion III – Konrad II., das Reich und Europa: Verflechtungen
Moderation: Lioba Geis (Köln)

Julia Burkhardt (München): Im Spannungsfeld von Konsolidierung und Konkurrenz. Die Herrscher Polens, Böhmens und Ungarns und ihre Beziehungen zu Konrad II.

Julia Becker (Heidelberg): Süditalien zur Zeit Konrads II. Eine Neuorientierung mit weitreichenden Folgen?

Johannes Pahlitzsch (Mainz): Konrad II. und Byzanz

Sektion IV – Gesellschaft und Kultur zur Zeit Konrads II.
Moderation: Jochen Johrendt (Wuppertal)

Benjamin Müsegades (Heidelberg): Neuanfänge? Die Herrschaftszentren Kaiser Konrads II. und der englischen Könige Knut und Eduard

Gerhard Lubich (Bochum): (Ge)Zeiten. Vom Auf und Ab der Geschichtsschreibung in der frühen Salierzeit

Florian Hartmann (Aachen): Briefsammlungen in Konrads Zeiten und Konrads Zeiten in ihren Briefsammlungen

Sektion V – Kirchenpolitik und Reform im europäischen Kontext
Moderation: Julia Exarchos (Aachen)

Claudia Zey (Zürich): Konrad II. und das Papsttum

Sarah Hamilton (Exeter): Bishops‘ Liturgical Collections in England and the Reich c. 1020–1050

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Englisch, Deutsch
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